Als ich letzte Woche nach all den vielen Verfehlungen von Priestern – die sich durch die Geschichte und aktuell mit „Wölkis über Köln” ziehen – erneut hören musste, dass wir homosexuell lebende Paare nicht gesegnet werden dürfen, wäre ich aus der katholischen Kirche ausgetreten – wenn ich es nicht schon vor 10 Jahren getan hätte. Es fiel mir schwer. Auch ich suche und brauche die Gemeinschaft. Doch die Kirchenmänner in Schwarz greifen zu Füßen Jesu nach unseren Frauen und Kindern.
Wer kann da tatenlos zusehen und weiterhin ein Teil davon sein wollen, ohne sie zu beschützen und etwas zu verändern?
Was jetzt mit dieser Botschaft inmitten des Missbrauchsskandals mit dem Gutachtenschauspiel, der Pandemie, den wirtschaftlichen Folgen, den existentiellen Nöten der Menschen, dem Klimawandel und der Völkerwanderung, kaum zu fassen ist. Statt den Menschen entgegen zu kommen und sie mit Zuspruch aufzurichten, wird erneut ausgegrenzt und gerichtet. Nicht nur direkt davon Betroffene, sondern auch diejenigen, die das nicht länger dulden wollen, weil sie mitfühlen und ihre Lieben einfach lieb haben, schmerzt es zutiefst.
Angeklagter, Verteidiger und Richter zugleich.
Rotgelockte Frauen wurden früher im Namen Gottes verbrannt. Wiederverheiratete und Homosexuelle dürfen heute nicht gesegnet werden. Du hast als Frau mit und ohne Kinder nicht das Recht deinen gewalttätigen Ehemann zu verlassen. Auch wenn wir wissen, dass es nicht gut ist, wenn der Mensch alleine bleibt, sollst du als Priester ohne einen geliebten Menschen, Nähe, Intimität, Zärtlichkeit und Sex leben, statt dir deinen eigenen Willen zu lassen. Als lesbische Erzieherin darfst du direkt mit den Kindern arbeiten und bist gut genug mit ihnen eine wichtige Beziehung in ihrer bedeutsamen Entwicklungsphase einzugehen. Für eine Leitungsposition aber, bist du zu sündig. Frauen generell haben in der katholischen Kirche keine gleichen beruflichen Rechte wie Männer, wofür sich Maria 2.0 mutig einsetzt. Die Liste mit Diskriminierungen ist lang.
Das Bild eines sich spaltenden Meeres drängt sich auf.
So eine zusamenhanglose Sicht auf die Welt impliziert die stetige Reduktion seines eigenen Wirkungskreises und löst ihn mit der Zeit selbst in Nichtigkeit auf. Aktuell auch bei Parteien, Verbänden und Unternehmen zu beobachten. Du bleibst draußen, du darfst rein, weil wir es sagen. Wer wir sind erfährst du nicht. Und du musst erst leisten, der werden, den wir uns vorstellen, wie du zu sein hast, bevor du ein Teil unserer Gemeinschaft wirst. Streng dich an, auch wenn du nie genug sein wirst und nimm den Platz ein, den wir dir zuweisen.
Kann es sein, dass manche Kirchenverantwortliche sich mit all den Ausgrenzungen von Menschen, die anders sind, anders denken, anders leben wie lieben, am Ende sich selbst auf einer vermeintlich sicheren Bergspitze der Makellosigkeit eingeengt haben und dabei mit dem Verlust der Menschlichkeit zurück bleiben?
Aus Angst vor was? Der Kraft des Lebens?
Mit all seiner Vielschichtigkeit und explodierenden Farbenpracht?
Sorgen hierarchische und streng reglementierte Strukturen für eine zu homogene Gruppenbildung? Ja. Sie ist auch systemisch bedingt, was die Verantwortung der Individuen nicht ausschließt. Wie in Parteien, Verbänden und Unternehmen eben auch, werden dadurch nur bestimmte Personen mit einseitigen Geltungs-, Macht- und Kontrollbedürfnissen angezogen, die, die Botschaft Jesu gar nicht verstehen oder ignorieren. Es fehlt an Persönlichkeiten, die sich dem verweigern, entgegenstellen und eigene Akzente setzen, weil sie mitfühlend sind. Weil sie wissen, wie Augenhöhe und Miteinander in Gegenseitigkeit geht. Die Durchlässigkeit, Transparenz und die Teilhabe an der Gestaltung des gemeinsamen Anliegens, wird nicht ermöglicht. Die Handlungsräume werden zugezurrt, statt zugelassen. Wahre Begegnung und wachsende Beziehungen fraglich.
Deshalb müssen erst die Fühl- und Denkverbote sterben, bevor eine neue Community mit unterschiedlichen Menschen, die sich auf Augenhöhe begegnen, entstehen kann. Die eben nicht mit einer erdrückenden Wenn-Dann-Schablone, als alttestamentarische Gnadenlosigkeit agiert, sondern mit einer Warmherzigkeit, die sowohl mütterlich als auch väterlich zugleich annehmen, trösten, stärken und begleiten kann. Mit einem Wohlwollen, das uns Menschen die Individualität und die Zugehörigkeit gleichermaßen erlaubt, die wir benötigen, um aus freiem Willen heraus bewusste Entscheidungen treffen und danach handeln zu können. Eine Kirche, die wir ausmachen, weil wir sie sind, in der wir uns ganzheitlich in unserem Werden anerkennen und nicht auf ein Detail, eine Tat oder sexuelle Orientierung reduzieren.
Aus dem einfachen Grund: weil du von Anfang an gemeint bist. Weil es da noch jemanden gibt, der dich bei deinem Namen gerufen hat. Der will, dass du bist und dich bedingungslos liebt. Weil du bereits gut bist, wie du bist, in dir bereits alles angelegt ist und nur darauf wartet die zur vollen Schönheit zu werden, die du bist. Der zu werden, der du bist. Egal, wo du gerade stehst und mit was du gerade ringst. Egal mit wem du das Bett teilst oder auch nicht, welcher Konfession du angehörst und ob du ein zahlendes oder nichtzahlendes Mitglied bist.
Die Kirchen sind leer, weil die Verantwortlichen darin ausgrenzen statt einzuladen. Weil es dort an Menschen mit Reife, Milde und Weisheit, mit erkennendem Herzen fehlt. Zu denen ein Mensch in Not oder aus Freude hingehen, ein Teil davon sein und gemeinsam Zeit verbringen will. Weil diese Gemeinschaft bestenfalls zur Familie und Heimat geworden ist. Weil da draußen im wahren Leben die Abenteuer und Herausforderungen mit Lebensfreunden einfach besser zu bestehen und zu feiern sind.
Wenn ich also letzte Woche, wie aus einer anderen weit entfernten Welt höre, dass die Zentralbehörde der römisch-katholischen Kirche gleichgeschlechtliche Paare nicht segnen kann, sage ich:
„Klar geht das! Ich segne euch!“
Weil auch ich von Anfang an gemeint und Frau meiner Sinne bin.
Querido Jorge, Aprende a nadar y a construir barcos en lugar de intentar dividir el mar.
Lieber Jorge, lernt Schwimmen und baut Boote, statt das Meer spalten zu wollen.