SAT1 17:30 LIVE
Vatikan verbietet die Segnung homosexueller Paare
Doppelinterview mit Priester Carsten Leinhäuser und Bischof Peter Kohlgraf
1. April 2021 in Allgemein, Gesellschaft, Kultur, Rheinland-Pfalz
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Mitschrift der Sendung vom 1. April 2021
SAT1 – Moderator Markus Appelmann: Ungehorsam ist das Gebot der Stunde. Die Geschichte klingt ein wenig nach David gegen Goliath. Ein Pfarrer aus Winnweiler in der Pfalz legt sich mit dem Vatikan an. Das Nein aus Rom zur Segnung homosexueller Paare will er nicht akzeptieren. Wir sprechen darüber gleich auch mit dem mainzer Bischof Peter Kohlgraf. Vorher stellen wir Ihnen den Mann vor, der trotz Verbots weiter gleichgeschlechtliche Paare segnen möchte. Sogar noch mehr. Er startet eine Aktion, die auch andere Priester ermutigen sollen.
Filmmoderation: Als mitte März die Entscheidung aus dem Vatikan kommt, kann es Carsten Leinhäuser kaum glauben. Der Pfarrer greift zu seinem Smartphone und spricht zu der Internetgemeinde:
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Carsten Leinhäuser will nicht akzeptieren, dass er als Pfarrer Fahrstühle und Waffen segnen kann, aber keine sich liebenden Menschen. Das Video trifft bei vielen Zuschauern einen Nerv.
Carsten Leinhäuser: Daraufhin haben sich zwei Frauen gemeldet, ein lesbisches Paar, das eine Designschmiede betreibt und gesagt haben: hier, wir wollen deinen Hashtag aufgreifen, haben dazu ’ne Website gestaltet und programmiert, weil wir finden, diese Message, dass Paare, die sich lieben, auch wenn sie und gerade wenn sie homosexuell sind, die wollen wir einfach mit in die Welt tragen und unterstützen dich dabei. So ist das Ganze total zufällig entstanden eigentlich.
Filmmoderation: Mit der Aktion mutwilligSegnen.de werden Gemeinden dazu aufgerufen dazu, am 10. Mai jeden zu segnen, der gesegnet werden möchte – auch gleichgeschlechtliche Paare. Carsten Leinhäuser widersetzt sich somit offen den Anweisungen des Vatikans. Angst vor Konsequenzen hat er deshalb nicht.
Carsten Leinhäuser: Ich glaub, als Christ, egal ob ich Priester bin oder nicht, steht als letzte Instanz das Gewissen da. Und dem habe ich mich zu verantworten. Und ich weiß, dass das auch im dümmsten Fall auch rechtliche Konsequenzen haben könnte, aber ich hab davor im Moment halt keine Angst, weil ich seh, dass es so viele, auch Menschen die in Verantwortung in dieser Kirche gibt, die da auch schon soweit sind, dass sie sagen: nee, wir müssen da anders denken und anders handeln. Anders mit Menschen umgehen als Kirche.
Filmmoderation: Ein Umdenken habe bei einigen Kirchenvertretern bereits eingesetzt. Die Glaubenskongregation jedoch ist der Meinung, die Kirche habe keine Befugnis Verbindungen gleichgeschlechticher Paare zu segnen. Außerdem entspreche eine solche Lebensweise nicht dem Plan Gottes. Der winnweiler Prister hingegen ist sich sicher, dass die Kirche einen Wandel durchlaufen muss und auch wird.
Carsten Leinhäuser: Die Kirche hat sich schon immer verändert. Sie ist nur ein riesen Tanker, der dafür ziemlich lange Zeit braucht und ich erhoffe mir, dass meine Kirche sich da nicht zu viel Zeit lässt.
SAT1 – Moderator: Der Priester fordert schnelle Veränderung. Ein Apell auch an unseren heutigen Schaltgast, den mainzer Bischof Peter Kohlgraf. Herr Bischof Kohlgraf, der Pfarre aus der Pfalz will homosexuelle Paare weiter segnen. Welche Konsequenzen müssen Priester in Ihrem Bistum fürchten, die weiter gleichgeschlechtlichen Paaren weiter den Segen aussprechen?
Peter Kohlgraf: Wir reden hier ja nicht über Eheschließungen, wir reden über Segnungen von Menschen. Und zunächst einmal würde ich sagen, dass ich auch gar keine Möglichkeit habe das zu sanktionieren, weil, das einfach auch vorkommt und ich auch nicht gefragt werde, sag ich mal. Und ich habe gesagt: wir haben eigentlich eine solch‘ tolle Botschaft vom Evangelium her – die der Liebe Gottes zu allen Menschen – dass es mir schwerfällt zu begründen, eine bestimmte Menschengruppe sozusagen generell vom Segen Gottes auch auszuschließen.
SAT1 – Moderator: Das bedeutet aber klar, sie gehen in die offene Konfrontation mit Rom. Mit welchen Konsequenzen rechnen Sie für sich?
Peter Kohlgraf: Ich gehe möglicherweise in Konfrontation mit Rom, ja, aber, ich sag mal auch was ich deutlich kritisiert habe und dazu steh‘ ich auch, unabhängig von der Sachfrage einfach die Wahrnehmung, dass die lehramtliche Kommunikation oft als sehr lieblos und rauh und wenig menschenfreundlich erlebt wird. Und ich glaube, dass wir heute so nicht mehr kommunizieren können und eigentlich noch nie hätten kommunizieren dürfen. Es geht ja auch um die Wertschätzung von Menschen und so kommt Wertschätzung nicht rüber.
SAT1 – Moderator: Nochmal nachgefragt, wird Ihre Haltung Konsequenzen für Sie persönlich haben?
Peter Kohlgraf: Nein. Dafür glaube ich, habe ich mich zu differenziert geäußert. Ich sehe auch kein wirkliches theologisches Argument, was dagegen spricht.
SAT1 – Moderator: Wir möchten die katholische Kirche besser verstehen. Sie sagt, dass Nein zu Segnung von homosexuellen Paaren sei keine ungerechte Diskriminierung und kein urteil über die Person. Aber, was ist es denn dann?
Peter Kohlgraf: Ja, eigentlich legen wir als Kirche auch nicht fest, würde ich sagen, was Menschen als diskriminierend empfinden. Es gibt eben die Erfahrung, dass viele Menschen und auch nicht nur Betroffene, diese Form der Kommunikation als diskriminiernd und verletztend empfinden. Das ist ja übrigens nicht nur meine Auffassung. Mittlerweile gibt es durchaus auch Stimmen auch aus anderen europäischen Ländern von Bischöfen, die sich ähnlich geäußert haben und einfach auch darauf hingewiesen haben, wie verletzend eine solche lehramtliche Kommunikation für viele Menschen ist, und das kann nicht die Form sein, wie wir die frohe Botschaft verkünden. Also, nicht wir legen fest, was diskriminierend ist und was wertschätzend ist, sondern, wenn Menschen uns sagen, wir empfinden eure Sprache nicht als wertschätzend. Dann müssen wir das, glaube ich, sehr ernst nehmen.